Adressat*innen-Kreis der Teilhabe am Arbeitsleben
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sollen helfen, die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderung zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.
Durch das BTHG sind die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Bereich der Eingliederungshilfe nun aber ausdrücklich auf Leistungen begrenzt, die für die Förderung der Beschäftigung von voll erwerbsgeminderten Menschen geeignet und ausreichend sind. Ansonsten sind vorrangig die Arbeitsagentur oder andere Reha-Träger, z.B. die Renten- oder Unfallversicherungen für die Teilhabe am Arbeitsleben zuständig.
Als voll erwerbsgemindert gelten dabei Menschen, die so schwerwiegend eingeschränkt sind, dass für sie wegen der Art oder Schwere ihrer Behinderung eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einschließlich eines Inklusionsbetriebes oder eine berufliche Bildung noch nicht oder nicht wieder in Betracht kommt. Um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 111 SGB IX zu erhalten, müssen sie aber in der Lage sein, ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen.
Für voll erwerbsgeminderter Menschen, die (noch) kein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitskraft erbringen können, kommen statt dessen Leistungen zur sozialen Teilhabe nach § 113 SGB IX in Betracht.
Seit 01.01.2022 erstreckt sich die Leistungspflicht des Eingliederungshilfeträgers für die Teilhabe am Arbeitsleben nach § 111 SGB IX auf:
- Leistungen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)
- Leistungen bei anderen Leistungsanbietern
- Leistungen bei privaten und öffentlichen Arbeitgebern
- Leistungen für ein Budget für Ausbildung
Auch Gegenstände und Hilfsmittel, die wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Aufnahme oder Fortsetzung der Beschäftigung erforderlich sind, können erbracht werden. Bei Leistungen in der WfbM oder bei Leistungen von anderen Anbietern gehört auch das Arbeitsförderungsgeld nach § 59 SGB IX zu den Leistungen der Eingliederungshilfe.
Wenn bei einem Menschen mit Behinderung die Voraussetzungen nach § 111 SGB IX vorliegen, besteht ein Rechtsanspruch auf die jeweilige Leistung.
Leistungen zur Beschäftigung im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM)
Die WfbM ist eine Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Sie steht behinderten Menschen offen, die wegen der Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können.
Jede WfbM hat ein Eingangsverfahren, einen Berufsbildungsbereich (BBB) und einen Arbeitsbereich. Grundsätzlich muss jeder behinderte Mensch zunächst das Eingangsverfahren und den BBB durchlaufen.
Zweck des Eingangsverfahrens ist es festzustellen, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung zur Teilhabe am Arbeitsleben ist. Das Eingangsverfahren dauert i.d.R. drei Monate. Es kann auf eine Dauer bis zu vier Wochen verkürzt werden.
Der BBB soll ein möglichst breites Angebot an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit umfassen. Die Lehrgänge bestehen aus einem Grund- und einem Aufbaukurs von jeweils zwölfmonatiger Dauer. Daher erhalten die meisten behinderten Menschen die Leistungen im BBB für zwei Jahre.
Sowohl bei dem Eingangsverfahren, als auch beim BBB handelt es sich um Leistungen, die durch die Bundesagentur für Arbeit und nicht durch den Eingliederungshilfeträger erbracht werden.
Der Träger der Eingliederungshilfe erbringt ausschließlich die sich an den BBB anschließenden Leistungen im Arbeitsbereich der WfbM.
Der Arbeitsbereich einer WfbM soll ein möglichst breites Angebot an Arbeitsplätzen umfassen. Die Ausstattung der Arbeitsplätze soll so weit wie möglich der Ausstattung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entsprechen. Die WfbM soll den Übergang geeigneter Menschen mit Behinderung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt fördern.
Aufgrund des Wahlrechts des behinderten Menschen ist auch eine Kombination von Leistungen in einer WfbM und Leistungen anderer Anbieter zulässig. Dazu ist die Zustimmung des unmittelbar verantwortlichen Leistungserbringers erforderlich.
In einer WfbM kann ein ausgelagerter Arbeitsplatz auch dauerhaft eingerichtet werden. Der behinderte Mensch muss nicht innerhalb einer bestimmten Frist oder nach einer bestimmten Zeit in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln.
Der behinderte Beschäftigte steht in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, erhält ein Ausbildungsgeld oder ein Arbeitsentgelt und das Arbeitsförderungsgeld und ist (mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung) sozialversichert.
Die Erprobung einer Beschäftigung als Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist für den behinderten Menschen ohne Risiko. § 220 Abs. 3 SGB IX garantiert ein Rückkehrrecht in die Werkstatt.
Andere Leistungsanbieter
Als Alternative zur beruflichen Bildung und zur Beschäftigung in einer WfbM gibt es seit 2018 die Beschäftigung bei einem sog. „anderen Leistungsanbieter“ nach § 60 SGB IX.
Behinderte Menschen, die Anspruch auf Aufnahme in eine WfbM haben, können dieselben Leistungen, die sie ansonsten in einer WfbM erhalten hätten, nun bei einem anderen Leistungsanbieter erhalten. Sie haben damit eine deutlich größere Wahlfreiheit über den Ort und das Angebot für ihre Teilhabe am Arbeitsleben. Auch Kombinationen sind möglich. Auf Wunsch des Menschen mit Behinderung müssen Leistungen im BBB und im Arbeitsbereich
- von einer anerkannten WfbM allein,
- von einer anerkannten WfbM zusammen mit einem oder mehreren anderen Leistungsanbietern,
- von einem anderen Leistungsanbieter allein oder
- von mehreren anderen Leistungsanbietern zusammen
erbracht werden.
Die Zulassung anderer Leistungsanbieter erfolgt entsprechend den Zulassungskriterien für eine WfbM. Hierdurch soll ein hoher Qualitätsstandard der anderen Leistungsanbieter gesichert werden. Andere Leistungsanbieter unterliegen ansonsten grundsätzlich denselben gesetzlichen Regelungen wie WfbM mit einigen Ausnahmen. Auch der rechtliche Status der Beschäftigten bei einem anderen Leistungsanbieter entspricht dem der Beschäftigten einer WfbM. Der behinderte Beschäftigte steht in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis, erhält ein Ausbildungsgeld oder ein Arbeitsentgelt und das Arbeitsförderungsgeld und ist (mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung) sozialversichert.
Wird die Tätigkeit beim anderen Anbieter als ungeeignet oder unbefriedigend angesehen oder kündigt der andere Anbieter das Beschäftigungsverhältnis, kann der behinderte Mensch jederzeit seine Tätigkeit in einer WfbM fortsetzen. Hier gilt ein gesetzlich garantiertes Rückkehr- oder Aufnahmerecht (§ 220 Abs. 3 SGB IX).
Andere Leistungsanbieter nach dem BTHG sind hier zu finden:
Budget für Arbeit
Menschen mit Behinderung, die Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM haben und denen von einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis mit einer tarifvertraglichen oder ortsüblichen Entlohnung angeboten wird, erhalten mit Abschluss dieses Arbeitsvertrages als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Budget für Arbeit (§ 61 Abs.1 SGB IX).
Das Budget für Arbeit umfasst
- einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber zum Ausgleich der Leistungsminderung des Beschäftigten und
- die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz.
Durch das Budget für Arbeit soll eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglicht werden, ohne dass zuvor ein Nachweis über die individuelle Erwerbsfähigkeit geführt werden muss. Im Unterschied zur Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter behält der behinderte Mensch hier nicht seine Rechtsstellung als Werkstattbeschäftigter. Stattdessen wird er Arbeitnehmer in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und erhält Tariflohn oder den ortsüblichen Lohn (§ 61 Abs. 1 SGB IX). Es besteht Sozialversicherungspflicht mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 SGB III).
Im Wesentlichen gibt es zwei Voraussetzungen für das Budget für Arbeit:
- Es muss ein Anspruch auf Beschäftigung im Arbeitsbereich einer WfbM bestehen. Allerdings muss der behinderte Mensch nicht tatsächlich in einer WfbM gearbeitet haben. Möglich ist auch die Aufnahme einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit dem Budget für Arbeit nach der Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter oder direkt nach dem BBB in einer WfbM bzw. bei einem anderen Leistungsanbieter. Auch wer in einer WfbM auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz beschäftigt ist, kann mit Hilfe des Budgets für Arbeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln. Das Budget für Arbeit kann man aber nicht erhalten, wenn man noch nicht das Eingangsverfahren und den BBB bei einer WfbM oder einem anderen Leistungsanbieter durchlaufen hat. Für die Teilnahme an Maßnahmen im BBB gibt es das Budget für Ausbildung.
- Es muss ein Arbeitsvertrag über ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis abgeschlossen werden. Dieser Arbeitsvertrag muss dem Träger der Eingliederungshilfe, der das Budget für Arbeit bewilligt, vorgelegt werden.
Zum Ausgleich der behinderungsbedingten Leistungsminderung wird ein Lohnkostenzuschuss direkt an den Arbeitgeber gezahlt. Der Lohnkostenzuschuss kann bis zu 75 % des vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts betragen. Er darf gleichzeitig jedoch nicht höher als 40 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV sein. Diese Bezugsgröße ist eine statistisch ermittelte, jährlich angepasste Rechengröße. Sie beträgt 3.290,00 € im Jahr 2022, so dass derzeit der Lohnkostenzuschuss maximal 1.316 € betragen kann.
Der Lohnkostenzuschuss kann unbefristet gezahlt werden. Dies ist ein wichtiger Unterschied zu vielen anderen finanziellen Hilfen, die zeitlich befristet sind. Die Bewilligung erfolgt aber nicht von vornherein unbefristet.
Im Rahmen des Budgets für Arbeit können auch Kosten für eine wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz übernommen werden. Diese Leistungen sind ebenfalls nicht befristet und können zusätzlich zum Lohnkostenzuschuss erbracht werden.
Die finanziellen Hilfen, die im Rahmen des Budgets für Arbeit gewährt werden, dürfen aber nicht zu einer Entlassung anderer Arbeitnehmer führen, die keinen Anspruch auf eine entsprechende Förderung haben.
Der Träger der Eingliederungshilfe ist nicht verpflichtet, dem behinderten Menschen einen Arbeitgeber zu benennen oder zu vermitteln, der zum Abschluss eines Arbeitsvertrags bereit ist. Insofern ist die Eigeninitiative des behinderten Menschen erforderlich, was sich in der Praxis als große Hürde erweist.
Der behinderte Mensch hat das Recht, jederzeit einen Antrag auf Aufnahme in eine WfbM zu stellen, wenn sich herausstellt, dass er zu einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht (mehr) in der Lage ist.
Budget für Ausbildung
Für Menschen mit Behinderung, die Anspruch auf Leistungen im Eingangsverfahren, im BBB oder im Arbeitsbereich einer WfbM haben, besteht seit 01.01.2020 nunmehr auch die Möglichkeit, als Alternative zur WfbM ein Budget für Ausbildung gemäß § 61a SGB IX zu erhalten.
Voraussetzung für das Budget für Ausbildung ist der Abschluss eines sozialversicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder in einem Ausbildungsgang nach § 66 des Berufsbildungsgesetzes oder § 42r der Handwerksordnung.
Das Budget für Ausbildung orientiert sich am Budget für Arbeit, dementsprechend umfasst es
- die Erstattung der angemessenen Ausbildungsvergütung
- die Aufwendungen für die wegen der Behinderung erforderliche Anleitung und Begleitung am Ausbildungsplatz und in der Berufsschule sowie
- die erforderlichen Fahrtkosten.
Das Budget für Ausbildung wird bei Personen, die bereits im Arbeitsbereich einer WfbM beschäftigt sind, durch den Träger der Eingliederungshilfe erbracht. Bei Personen mit einer Leistungsberechtigung nach § 57 SGB IX ist jedoch die Bundesagentur für Arbeit zuständig.
Kostenbeteiligung
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 111 Abs. 1 SGB IX zählen zu den sog. privilegierten Leistungen, zu denen aus Einkommen und Vermögen kein eigener Beitrag zu leisten ist. Dies gilt für Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM, für Leistungen bei anderen Leistungsanbietern und für das Budget für Arbeit (§ 138 SGB IX).