Außerklinische Intensivpflege: Das IPreG und die AKI-Richtlinie

Das Intensivpflege- und Rehabiliationsgesetz (IPreG) ist im Jahr 2020 in Kraft getreten und regelt die Versorgung mit außerklinischer Intensivpflege neu. In der Praxis wird die Wirkung des neuen Gesetzes erst ab dem 31.10.2023 deutlich: Der bisherige Anspruch auf häusliche Krankenpflege für die betroffenen Versicherten entfällt. Ab diesem Zeitpunkt haben sie stattdessen einen Anspruch auf außerklinische Intensivpflege (AKI). Welche Auswirkungen hat das auf die Versorgung der Betroffenen? Insbesondere auf intensivpflichtige Kinder und Jugendliche, die zu Hause leben?

Hin­ter­grund

Das Inten­siv­pfle­ge- und Reha­bi­lia­ti­ons­ge­setz (IPreG) ist im Jahr 2020 in Kraft getre­ten und regelt die Ver­sor­gung mit außer­kli­ni­scher Inten­siv­pfle­ge (AKI) neu. In der Pra­xis wird die Wir­kung des neu­en Geset­zes ab dem 31.10.2023 deut­lich: Der bis­he­ri­ge Anspruch auf häus­li­che Kran­ken­pfle­ge (HKP) für die betrof­fe­nen Ver­si­cher­ten mit einem beson­ders hohen Bedarf an medi­zi­ni­scher Behand­lungs­pfle­ge (spe­zi­el­le Kran­ken­be­ob­ach­tung) im Rah­men der häus­li­chen Kran­ken­pfle­ge nach § 37 SGB V i. V. m. der HKP-RL (Num­mer 24 des Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses der HKP-RL) ent­fällt. Ab die­sem Zeit­punkt gibt es statt­des­sen eine neue Leis­tung — die außer­kli­ni­sche Inten­siv­pfle­ge gemäß dem § 37c SGB V i. V. m. der Richt­li­nie über die Ver­ord­nung von außer­kli­ni­scher Inten­siv­pfle­ge (AKI-RL). Außer­dem gibt es neu die Rah­men­emp­feh­lung zur Ver­sor­gung mit AKI und eine Begut­ach­tungs­an­lei­tung des Medi­zi­ni­schen Diens­tes (MD) zur AKI.

Der Gemein­sa­me Bun­des­aus­schuss (GBA) betont, dass der anspruchs­be­rech­ti­ge Per­so­nen­kreis und Leis­tungs­um­fang der außer­kli­ni­schen Inten­siv­pfle­ge dem bis­he­ri­gen der HKP-RL nach Num­mer 24 des Leis­tungs­ver­zeich­nis­ses ent­spre­chen. Zumin­dest gilt dies bezüg­lich der kon­ti­nu­ier­li­chen Beob­ach­tung und Inter­ven­ti­on mit den not­wen­di­gen medi­zi­nisch-pfle­ge­ri­schen Maß­nah­men. Die zwei­te bis­he­ri­ge Leis­tungs­be­schrei­bung in HKP-RL Num­mer 24 — Doku­men­ta­ti­on der Vital­funk­tio­nen wie: Puls, Blut­druck, Tem­pe­ra­tur, Haut, Schleim­haut, soll nur noch im Ein­zel­fall ver­ord­net und bean­sprucht werden.

Wel­che Aus­wir­kun­gen hat das auf die Ver­sor­gung der Betrof­fe­nen, ins­be­son­de­re auf inten­siv­pflich­ti­ge Kin­der und Jugendliche?

Eini­ge Kin­der, z. B. mit nicht ein­stell­ba­rer Epi­lep­sie, wur­de bereits eine Ver­ord­nung von AKI mit der Begrün­dung abge­lehnt, dass kei­ne täg­li­che Lebens­be­dro­hung bestehe. Aber auch Min­der­jäh­ri­gen mit kom­ple­xen Behin­de­run­gen, die auf­grund von Schluck­stö­run­gen oder schwer ein­stell­ba­rem Dia­be­tes in lebens­be­droh­li­che Situa­tio­nen abglei­ten kön­nen und ande­ren Kindern/​Jugendlichen (nicht abge­schlos­se­ner Kata­log) droht ein Abbruch der bis­he­ri­gen Versorgung.

Die Außer­kli­ni­sche Inten­siv­pfle­ge-Richt­li­nie (AKI-RL) ist bereits im März 2022 in Kraft getre­ten und wird nach einer Über­gangs­re­ge­lung zum 31. Okto­ber 2023 end­gül­tig wirk­sam. Die prak­ti­schen Aus­wir­kun­gen des neu­en Geset­zes wer­den daher in der Pra­xis erst nach und nach sichtbar.

Die AKI-RL regelt

  • für wel­chen Per­so­nen­kreis außer­kli­ni­sche Inten­siv­pfle­ge ver­ord­net wer­den darf (§ 4 AKI-RL),
  • wel­che Ärzt:innen die Leis­tung ver­ord­nen dür­fen (§ 9 AKI-RL) und
  • wel­che Ärzt:innen zur soge­nann­ten Poten­zi­al­erhe­bung befugt sind (§ 8 AKI-RL)
  • Art und Qua­li­fi­ka­ti­on der Fach­kräf­te (höhe­re als bisher)

Durch die AKI-RL droht eine Ver­en­gung des Per­so­nen­krei­ses, der Anspruch auf außer­kli­ni­sche Inten­siv­pfle­ge hat, die eigent­lich vom Gesetz­ge­ber nicht vor­ge­se­hen ist. AKI erhal­ten Ver­si­cher­te, bei denen wegen Art, Schwe­re und Dau­er der Erkran­kung die stän­di­ge Anwe­sen­heit einer geeig­ne­ten Pfle­ge­fach­kraft zur indi­vi­du­el­len Kon­trol­le und Ein­satz­be­reit­schaft not­wen­dig ist, weil eine sofor­ti­ge ärzt­li­che oder pfle­ge­ri­sche Inter­ven­ti­on bei täg­lich mög­li­chen lebens­be­droh­li­chen Situa­tio­nen mit hoher Wahr­schein­lich­keit unvor­her­seh­bar erfor­der­lich ist. Wobei die genau­en Zeit­punk­te und das genaue Aus­maß der erfor­der­li­chen Inter­ven­tio­nen nicht im Vor­aus bestimmt wer­den können.

Die Anspruchs­vor­aus­set­zun­gen wur­den somit ver­schärft und es dro­hen Versorgungsabbrüche.

Aus der Pra­xis wird berich­tet, dass Ver­si­cher­ten der Anspruch auf AKI von den Kran­ken­kas­sen ver­sagt wird. Begrün­det wird dies damit, dass es für die kon­ti­nu­ier­li­che Beob­ach­tung ihres Gesund­heits­zu­stan­des es kei­ner Inten­siv­pfle­ge­kraft bedür­fe. Die­se Tätig­keit kön­ne von einer geschul­ten und ange­lei­te­ten Pfle­ge­per­son über­nom­men wer­den. Die Finan­zie­rung müs­se durch ande­re Kos­ten­trä­ger erfolgen.

Was ist mit Poten­ti­al­erhe­bung gemeint?

Es han­delt sich um ein neu ein­ge­führ­tes Über­prü­fungs­ver­fah­ren für Ver­si­cher­te, die beatmet wer­den oder tra­cheo­to­miert sind. Mit jeder Ver­ord­nung für AKI muss ver­pflich­tend die Erhe­bung des Poten­zi­als für eine Beatmungs­ent­wöh­nung oder Deka­nü­lie­rung durch­ge­führt wer­den. Die­se Erhe­bung darf nur von beson­ders qua­li­fi­zier­ten Ärzt:innen vor­ge­nom­men wer­den, die in § 8 AKI-RL näher bestimmt sind.

Aus der zwin­gend und gesetz­lich aus­nahms­los vor­ge­schrie­be­nen Poten­zi­al­erhe­bung erge­ben sich zwei Pro­ble­me: 1. Es gibt nicht genü­gend zuge­las­se­ne Ärzt:innen für die Poten­zi­al­erhe­bung und 2. bei Kin­dern und Jugend­li­chen, die auf­grund ihrer Grund­er­kran­kung kein Poten­zi­al zur Ent­wö­hung von der künst­li­chen Beatmung haben, muss die Poten­ti­al­erhe­bung — gesetz­lich vor­ge­schrie­ben — trotz­dem erfolgen.

Der­zeit gilt noch eine Über­gangs­re­ge­lung: AKI kann bis Ende Juni 2025 aus­nahms­wei­se auch ohne Poten­zi­al­erhe­bung ver­ord­net wer­den, sofern nach­weis­lich kei­ne qua­li­fi­zier­ten Fachärzt:innen für eine Poten­zi­al­erhe­bung gefun­den wer­den kön­nen. Am 05.12.2024 hat der G‑BA außer­dem beschlos­sen, dass alle Leis­tungs­be­rech­tig­ten mit Beatmung oder Tra­che­al­ka­nü­le, die bereits vor dem 31.10.2023 häus­li­che Kran­ken­pfle­ge nach Zif­fer 24 HKP-Richt­li­nie (spe­zi­el­le Kran­ken­be­ob­ach­tung) ver­ord­net bekom­men hat­ten, nur eine ein­zi­ge Poten­zi­al­erhe­bung benö­ti­gen, die nega­tiv aus­ge­fal­len ist. (Nega­tiv bezieht sich hier auf das Poten­zi­al. Es besteht dem­entspre­chend kein Poten­zi­al zur Beatmungs­ent­wöh­nung bzw. Dekanülierung)

Was gibt es jetzt zu beachten?

Eltern und Sor­ge­be­rech­tig­te, die ein Kind mit Inten­siv­pfle­ge­be­darf ver­sor­gen, soll­ten ihren Kin­der­arzt kon­tak­tie­ren und erfra­gen, ob diese*r AKI mit den neu­en For­mu­la­ren 62a, 62b bzw. 62c verordnet.

Ande­ren­falls oder über­haupt wird gera­ten, sich an fol­gen­de Anlauf­stel­len zu wen­den: der Anlauf­stel­le von der Initia­ti­ve Selbst­be­stimmt Leben. Dort kön­nen Erfah­rungs­be­rich­te gele­sen und es kön­nen eige­ne Erfah­run­gen ein­ge­ge­ben wer­den. Sie fin­den die Adres­sen in der Seitenspalte.

Ber­li­ner Fami­li­en und Fach­kräf­te kön­nen sich an die Fach­stel­le Men­schen­Kind wen­den: menschenkind@​hvd-​bb.​de